Ich bin zu schwer!
Mal angenommen, heute morgen hätte ich mich auf meine supermoderne Digitalwaage gestellt und die hätte mir erzählt, dass ich so ca. 61,3kg wiege...
Was heißt das eigentlich? ...und wäre ich auf dem Mount Everest wirklich leichter und könnte ich, dort gewogen, die magische 60kg-Grenze für die WFV knacken?
Was ist eigentlich ein Kilogramm?
kg, also Kilogramm, ist in der Physik ja die Einheit für eine Masse.
Was 1 Kilogramm tatsächlich ist, wurde Ende des 19. Jahrhunderts in Paris festgelegt und in Form eines Metallblocks dokumentiert.
Die Masse ist eine Eigenschaft von Materie und zumindest im Alltag gehen wir davon aus, dass diese Masse konstant ist, wenn die Menge des jeweiligen Stoffs sich nicht verändert.
Also würde mir eine Klettertour auf den ersten Blick nicht wirklich weiterhelfen bei dem Ziel, unter 60kg zu kommen...nur misst meine Waage wirklich die Masse oder macht sie vielleicht doch etwas anderes und es besteht noch Hoffnung?
Was so eine Waage tatsächlich misst
Die Personenwaagen, die man so zu Hause stehen hat, egal ob digital oder analog, messen in der Tat nicht direkt die Masse, sondern sind Kraftmesser.
Sie arbeiten wie Federwaagen, an die man einen Rucksack o.ä. hängt und die dann abhängig von der Verlängerung des Federweges angeben, wie schwer dieser ist.
Unsere Personenwaagen messen also die Veränderung eines Federweges oder auch einer elektrischen Spannung, die verursacht wird, wenn ich mich auf die Waage stelle und rechnen diese zu einer Masse um, die dann angezeigt wird.
Was für eine Kraft verursacht also diese Veränderung?
Wenn wir zu unserem Rucksack zurückgehen, der frei an der Federwaage hängt, dann ist die Gewichtskraft für die Veränderung, also Verlängerung verantwortlich. In der Schule haben wir ja mal gelernt, dass die Gewichtskraft FG sich berechnet aus Masse mal Beschleunigung, also
FG = m*g
wobei die Fallbeschleunigung auf der Erde mit g=9,81m/s^2 als konstant angenommen wurde. Nur ist diese Beschleunigung wirklich konstant, oder kann sie sich ändern?
Wenn die Erde eine Kugel wäre...
Massen ziehen sich gegenseitig an. Das sieht man am herunterfallenden Apfel genauso wie bei Ebbe und Flut, bei denen die Masse des Mondes und die Wassermassen ins Spiel kommen.
Jede Masse umgibt ein sogenanntes Schwerefeld, das mit zunehmender Masse immer stärker wird. Der Einfachheit halber setzen wir das Schwerefeld mit dem Gravitationsfeld, also dem Schwerkraftfeld, gleich. Wieso wir das machen, erkläre ich am Ende.
Aus diesem Schwerkraftfeld kann man ablesen, wie stark die Erde einen anderen Körper, in unserem Beispiel also den Rucksack, anzieht. Ähnlich wie beim Magnetfeld wird die Stärke dieser Anziehung schwächer, je weiter man sich vom jeweiligen Körper entfernt.
Wenn wir also von ein paar Annahmen ausgehen, nämlich, dass
- die Erde eine Kugel und
- ihre Dichte konstant ist
dann haben wir auf der gesamten Erdoberfläche eine gleich große, also gleich starke Anziehungskraft, denn:
- es gibt eine Masse, die eine Anziehungskraft ausübt
- diese Masse ist im Volumen genau gleich verteilt und
- bildet so ein regelmäßiges Feld aus
Dadurch, dass jeder Punkt auf der Oberfläche den gleichen Abstand zum Erdmittelpunkt hat, würde die Federwaage überall das gleiche Rucksackgewicht anzeigen.
Wenn wir jetzt aber in einen Heißluftballon steigen würden, der 9km über der Erdoberfläche schwebt, der Höhe des Mount Everest also, dann wäre die Kraft, mit der die Erde den Rucksack anzieht, schon kleiner. Die Feder würde demnach weniger stark gedehnt und das Gewicht (oder besser: die angezeigte Masse) wäre kleiner.
Übertragen auf mich und mein Gewichtsproblem hieße das, dass ich da oben also tatsächlich weniger als die vorher ermittelten 61,3kg wiegen würde.
...ist sie aber nicht
Aber die Erde ist leider keine Kugel, deswegen stimmt das einfache Modell, das wir bis eben verwendet haben, leider nicht. Es gibt Punkte auf der Erdoberfläche, die weiter weg sind vom Erdmittelpunkt oder eben dichter, als wir das eben angenommen haben. So ist die Entfernung vom Erdmittelpunkt zum Äquator ca. 21km größer als die Entfernung zu den Polen. Ganz zu schweigen von Gebirgen, die dem Ganzen noch mehr Kontur und Unregelmäßigkeit geben. Dadurch ist das Schwerkraftfeld nicht mehr gleichmäßig ausgebildet, sondern hat an unterschiedlichen Punkten der Erdoberfläche unterschiedliche Stärke.
Wenn wir uns jetzt noch von der Annahme trennen, dass die Dichte konstant ist, weil die Erde aus unterschiedlichen Stoffen unterschiedlicher Dichte besteht, dann wird klar, dass das Schwerkraftfeld ungleichmäßig ausgeprägt ist.
Bin ich da oben jetzt leichter oder nicht?
Wie wir gesehen haben, ist die Kraft, die zur Anzeige auf der Waage führt, nicht nur abhängig von der Masse des Gegenstands, der sie belastet, sondern auch vom Schwerkraftfeld der Erde, das sich je nach Aufenthaltsort, u.a. der Höhe, verändert. Da es aber noch andere Einflussfaktoren gibt, die dieses Feld beeinflussen, kann ohne genaue Messwerte nicht eindeutig festgestellt werden, ob und wenn ja, wie viel leichter ich dort oben wäre.
Sehr schade...aber naja...da die Masse ja, wie oben schon festgestellt, trotzdem die gleiche bleibt, wäre mir, über die WFV hinaus, auch nicht wirklich geholfen.
Und was war jetzt mit dem Schwerefeld?
Weiter oben sind wir ja davon ausgegangen, dass das Schwerefeld nur aus dem Schwerkraftfeld besteht, dass die Schwere eines Körpers also allein durch die gegenseitige Anziehung von Massen bestimmt wird.
Spätestens in einer Achterbahn oder wenn man mit der Federwaage-Rucksack-Kombination Karussell spielt, wird man aber feststellen, dass die Schwerkraft nicht die einzige Kraft ist, die die Gewichtsanzeige beeinflusst, sondern dass auch die Zentrifugalkraft einen Anteil hat.
Und da sich die Erde in ständiger Rotation befindet, enthält das Schwerefeld auch eine Komponente, die aus dieser Zentrifugalkraft besteht.
Aber dazu ein andermal mehr :-)